„RICHARD – IM WALKÜRENRITT …“

DIRECTOR’S NOTE VON SCHWARWEL

Als ich 2008 von Lutz Hesse, dem Kurator der Ausstellungen der Moritzbastei Leipzig, gefragt wurde, ob ich zum 125. Todestag von Richard Wagner eine Ausstellung ausrichten wolle, sagte ich natürlich spontan zu, ohne jedoch wirklich zu wissen, worauf ich mich da einließ – außer einer wagen Idee davon, dass Wagner pompöse Opern mit dem blonden Siegfried geschrieben hatte, die irgendwie vom „Deutsch-sein“ handeln sollten, und dass dieser Wagner in dem Massenmörder Hitler einen großen Fan gefunden hatte und dass da irgendwas mit dem Philosophen Nietzsche war und dass es in „Apokalypse Now“ diese Szene mit den Hubschraubern und dem „Walkürenritt“ gab, hatte ich keine blasse Ahnung von dem Thema.

Ich hatte nur das unbestimmte Gefühl, dass Wagner etwas Suspektes war, etwas Dunkles, Böses. Etwas, was die vermeintlich coolen Typen ablehnten und was die deutsche Oberschicht wie eine Hammelherde jedes Jahr nach Bayreuth trieb, um sich in einem beengten Holzraum vier Stunden lang den Arsch breit zu sitzen und danach halbherzig in die Kamera zu lächeln.

Genau das reizte mich. Denn ich ärgerte mich darüber, dass ich außer ein paar Vorurteilen nichts vorzuweisen hatte: kein Wissen von der Materie, keine Kenntnis von der Musik, nichts über die Bedeutung Wagners für die Oper und die Musik im Allgemeinen …

Und darauf baute ich mit befreundeten Künstlern und Autoren für diese erste Wagner-Ausstellung: gefährliches Halbwissen trifft das selbsternannte Genie Wagner.

Um nicht gänzlich doof dazustehen, hörte ich mir die Opern durch, ich las Biografien, googelte im Netz und wir und ich unterhielten uns mit Kennern der Materie, sogenannten „Wagnerianern“ – also Wagner-Fans, die neben ihrem Fanatismus auch zur kritischen Auseinandersetzung mit dem durch sie vergötterten Idol in der Lage waren.

Neben vielen anderen Beiträgen für die Ausstellung steuerte ich auch einen Comic bei, der dem Leser – aber vor allem mir selbst – den äußerst komplexen Zyklus „Der Ring des Nibelungen“ mit seinen vier Opern „Das Rheingold“, „Die Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ und den wirklich vielen Worten darin in komprimierter, einfacher Form schilderte. Es ging um Vertragswesen, Reichtümer, Ränke, Macht, Moral und das Ende der bisherigen Weltordnung.

Und irgendwie lies mich von da an das Thema Wagner nicht mehr los: dieses kleine, aufgeblasene Pumpgenie, dass einem bayerischen König mit seinem breiten Leipziger Sächsisch die Kohle für ein eigenes Festspielhaus aus dem Kreuz leiert und nebenbei tatsächlich die Musik erneuert … Die Buhlschaften um das künstlerische und damit finanzielle Erbe, die Nazizeit und Wagners bucklige Verwandtschaft … Die Themen, die Wagner in seinen Stücken behandelt und seine befremdlichen Traktate über Judentum und Musik …

Immer wieder machte ich Karikaturen, Cartoons, Comic-Strips und Illustrationen zu Wagners Kosmos und fand es befremdlich, dass mich da irgendwas gefesselt hatte wie „der Ring, sie alle zu binden“ …

Umso mehr wunderte es mich als Trickfilmer, dass es kaum etwas im Animationsbereich gab, was sich mit Wagner befasste: hier mal eine gestraffte Version des „Rheingold“ in dem britischen Neoklassiker „Operavox“ und da den „Walkürenritt“ mit Elmar Fudd und Bugs Bunny. Ansonsten tote Hose.

Als mein Freund Gary und seine Band „Speedmöik – Erzorchester der Liebe“ für den Eröffnungsabend der bereits erwähnten Ausstellung den „Walkürenritt“ in klassicher Rockformation darboten – Gitarre, Schlagzeug, Bass – war klar, dass ich damit irgendwann noch etwas anfangen wollte, denn durch dieses Arrangement hörte ich, wie modern Wagner immer noch ist.

Und ich fand, dass es schade ist, wie man sich durch seine eignen Vorurteile Sachen verbietet, durch die man durch Türen gehen könnte, neue Räume erkunden, neue Gebiete erschließen …

Ein Ritt durchs Leben Wagners, das genauso vollgestopft, abenteuerlich und pompös war wie die Opern, die der Komponist schrieb, ploppte irgendwann in meinem Kopf auf. Wabernde Szenen, klassische Vollanimation, ein paar 3D-Effekte, viel Farbe, viel Bewegung, als Stätten meine Heimatstadt Leipzig, Venedig, London, Paris … Das alles wie die Salven einer Gatling Gun, wie Mosaiksteinchen, die aus Wagners Kopf fliegen …

Einen Versuch wars Wert, sagte ich mir.

Naja, und jetzt stehe ich hier, Drehbuch und Skizzen unterm Arm, den Stift gespitzt und bereit, durchs Tor zu gehen.

– Schwarwel, Leipzig 2012

PRODUCER’S NOTE VON SANDRA STRAUSS

Seit 2007 gehören Workshops, Zeichen- und Animationskurse und Werkstatt-Kino neben den Kerngeschäften Animation, Illustration und Design zum Portfolio von Glücklicher Montag.

Diese finden sowohl an der Volkshochschule Leipzig statt, in Zusammenarbeit mit Comicfachgeschäften wie Comic Combo Leipzig oder mit freien Trägern wie dem Kulturamt der Stadt Erlangen, den Dresdner Stadtbibliotheken oder dem Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig.

Von Anfang an koppelten wir unsere filmischen Eigenproduktionen und Auftragsarbeiten mit diesen Kursen, indem wir die entstandenen Filme und Videos dafür nutzen, sie als Beispielarbeiten, Referenzmaterial oder Thema des jeweiligen Workshops einzusetzen und dadurch sowohl den Teilnehmern als auch uns selbst einen direkten Bezug zum Gegenstand des Kurses und damit möglichst hohe Praxisnähe zu ermöglichen.

Erfahrungen mit dieser Herangehensweise sammelten wir bundesweit bei eigenen Veranstaltungen wie unserer Reihe „Werkstatt-Kino“ bspw. auf dem Comicfestival München und dem Comic-Salon Erlangen, dem Comicfestival Hamburg, bei der Comicbörse Ellington-Hotel Berlin, bei der Visionale Leipzig 2011, dem oh’K! Popup-Store 2012 von Kreatives Leipzig oder Workcamps auf der (Pop Up Leipzig usw.

Dabei ist uns stets wichtig, Animationskunst und Trickfilm auch außerhalb der Filmfestivals stattfinden zu lassen, um so ein neues, interessiertes Publikum zu finden, das die Kunst des Trickfilmes nicht als „Kinderkram“ oder maniriertes Kunstgenre abtut, sondern die Möglichkeiten des Mediums kennenlernt, Sachverhalte, Wissen und Meinungsbildung durch die Überhöhung und die künstlerische Bearbeitung durch Animationstechniken in unser Bewusstsein zu rücken.

Mit „Richard – Im Walkürenritt durch Wagners Leben“ fanden wir ein Projekt, das aktuell zum Wagnerjahr 2013, dem 200. Geburtstages eines der bekanntesten und umstrittensten Komponisten der Geschichte, ein Thema bietet, das sich nicht nur in neuer Form an den Opern- und Wagnerfreund richtet, sondern durch Wagners ureigenen streitbaren Charakter und seine politischen Ansichten und Äußerungen auch eine Plattform, um sich neben seinem kompositorischen Werk auch und vor allem mit der Person Wagner, mit der von ihm geschaffenen Institution Bayreuth und der Instrumentalisierung Wagners durch das Naziregime auseinanderzusetzen.

Denn Wagner ist keinem egal.

Dabei kann „Richard – Im Walkürenritt durch Wagners Leben“ nur ein Abriss sein, ein Einstieg in Wagners Leben und Schaffen, der Interesse weckt, sich tiefer mit der Materie zu befassen.

Für Wagnerianer und Wagner-Kenner bietet der Film Assoziationsketten, Aha-Effekte und die Überprüfung des eigenen Wissens als Fan von Musik und Erschaffer.

Dadurch ergab sich unsere Marketingstrategie, den Film vor allem durch Touren zu den Wagnerverbänden und als Themen-Workshops für Schulen, Bibliotheken und weitere Bildungseinrichtungen zu vermarkten, statt nur den gewohnten Weg über die Filmfestivals zu gehen, bei denen eine tiefergehende Bearbeitung und Auseinandersetzung meist nicht möglich ist.

Aufgrund unserer gemachten Erfahrungen wie bspw. mit der Eigenproduktion „Quick Lunch – Das 1,8-Millionen-Gänge-Menü“ (4:55 min, Regie: Schwarwel) – die im Rahmen eines Wettbewerbes zum Thema Biodervisität entstand, die Artenvielfalt im Bezug zu menschlichem Verhalten zum Inhalt hat und als eines der o. g. Workshop-Themen Verwendung fand –, ergab sich, auch „Richard – Im Walkürenritt durch Wagners Leben“ als Kurzfilm anzulegen, um so eine Auswertung im Rahmen ähnlicher Kurse, Workshops und Touren zu ermöglichen.

Zum Thema Wagner selbst fühlen sich der Leipziger Regisseur Schwarwel und das in dieser Stadt heimische Studio Glücklicher Montag seit Jahren verbunden, was zwar auf Leipzig als Geburtsstadt Wagners beruht, aber erst seit 2008 durch die intensive Befassung mit dem Thema Wagner in Ausstellungen, Aktionen und eigenen Arbeiten und die Zusammenarbeit mit dem Richard-Wagner-Verband Leipzig vertieft wurde und den Wunsch weckte, auch zum 200-jährigen Jubiläum einen Beitrag zu einem der berühmtesten Söhne der Stadt zu leisten.

Durch die Arbeit an den letzten Kurzfilm-Eigenproduktionen wie „Schweinevogel – Es lebe der Fortschritt!“ (2009, Regie: Schwarwel) und „Herr Alptraum und die Segnungen des Fortschritts“ (2011, Regie: Schwarwel) und deren Auswertung auf Festivals, im TV (MDR, arte, 13th Street) und vor allem bei Crossover-Events erkannte Glücklicher Montag seine Stärke im Erschaffen von Kurzfilmen als eigenes Kunstgenre, wie es auch von Meistern des Faches wie Katsuhiro Otomo („Akira“) in „Memories“ oder Bill Plympton („Idiots and Angels“) mit seinen zahllosen „Plymptoons“ erfolgreich gepflegt wird.

– Sandra Strauß, Glücklicher Montag, Leipzig 2012